Kokain-Boom: Warum es in Deutschland so viel Stoff gibt

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Drogenhandel:Kokain-Boom: Warum es in Deutschland so viel Stoff gibt

von Moritz Müllender

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Europa erlebt eine Kokain-Schwemme, mit Auswirkungen auf Deutschland. Das Kokain ist dabei so rein wie selten und Experten berichten von rapide gesunkenen Preisen.

Bildmontage: Kokainplatte links im Bild, Hände auf dem Rücken in Handschellen, die ein Smartphone halten, rechts im Bild

Die Krypto-App Sky ECC galt weltweit als eine der sichersten. Deshalb war sie bei Kriminellen beliebt - auch bei einer Bande, die 16 Tonnen Kokain nach Deutschland schmuggeln wollte.

13.02.2025 | 16:47 min

Deutschland erlebt derzeit ein Kokain-Paradox: Die Nachfrage geht laut Experten nach oben, und dennoch sinken die Preise. Eine Recherche von ZDF frontal mit dem Investigativnetzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) zeigt jetzt, wie die Kokainmengen nach Europa finden - und dass kriminelle Organisationen den Kontinent mit dem weißen Pulver fluten. Mit neuen Routen, besserer Logistik und vor allem: neuen Verstecken.

Das Bundeskriminalamt spricht sogar davon, dass Europa derzeit eine regelrechte Kokainschwemme erlebt. Robert Fay, leitender Drogenfahnder von Europol, schätzt:

Europa ist zum Markt Nummer eins für Kokain geworden.

Robert Fay, Europol

Eigentlich müsste die steigende Nachfrage auch die Preise nach oben treiben. Doch das Gegenteil geschieht: Mehr Angebot drückt den Markt - entsprechend sinkt der Preis. 

Daniel Brombach, Leiter der Europäischen Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität

In Europa boome besonders das Kokain, sagt Daniel Brombacher, der Leiter der Europäischen Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität. Das Vorgehen der USA werde den Drogenhandel nicht bremsen.

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Einkaufspreis halbiert - Straßenpreis stagniert

Die Einkaufspreise für Dealer in Europa sind offenbar sogar stark gesunken. Während vor wenigen Jahren laut Experten noch Preise um die 30.000 Euro pro Kilo normal waren, liegen sie mittlerweile eher bei 15.000 Euro. Gleichzeitig bleibt der Straßenpreis relativ stabil, laut der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenhandel (DBDD) lag dieser zuletzt bei durchschnittlich 74 Euro pro Gramm.

"Jetzt, da das Angebot an Kokain enorm ist und es keine Versorgungsprobleme gibt, verkaufen sie es in höherer Reinheit", sagt Laurent Laniel von der Drogenagentur der Europäischen Union (EUDA).  

Hessen, Wiesbaden: Hendrik Streeck (l-r), Drogenbeauftragter der Bundesregierung, Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister, und Holger Münch, BKA-Präsident, stellen auf einer Pressekonferenz im Bundeskriminalamt (BKA) die Bundeslagebilder Rauschgift und Organisierte Kriminalität 2024 vor.

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Kokain - zentrale Einnahmequelle der Organisierten Kriminalität

Im Fünf-Jahres-Trend stiegen die Delikte rund um den Kokainhandel in Deutschland laut Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität um etwa 45 Prozent. Kokain werde dabei laut BKA "weiterhin tonnenweise von Südamerika nach Deutschland geschmuggelt". Der Handel mit der Droge werfe immense Gewinne ab, fördere etwa Gewalt und Korruption und sei zugleich "eine zentrale Einnahmequelle der Organisierten Kriminalität".  

Um ihre Geschäfte planen zu können, nutzen Drogengangs seit Längerem auch verschlüsselte Messenger - wie das spektakulär aufgeflogene Sky-ECC-System. Behörden hatten den Dienst hacken lassen und konnten fortan mitlesen. Auch ZDF frontal konnte gemeinsam mit internationalen Partnern Tausende dieser geheimen Chats auswerten und den Weg von Kokain-Schmugglern nachzeichnen, die Sky-ECC genutzt hatten.

Bildmontage: Kokainplatte links im Bild, Hände auf dem Rücken in Handschellen, die ein Smartphone halten, rechts im Bild

Die Krypto-App Sky ECC galt weltweit als eine der sichersten. Deshalb war sie bei Kriminellen beliebt – auch bei der Bande, die 16 Tonnen Kokain nach Deutschland schmuggeln wollte.

13.02.2025 | 16:47 min

Neue Player, neue Strukturen

Eine Ursache für das Überangebot liegt in Übersee. Allein in Kolumbien ist die Anbaufläche für Kokapflanzen zwischen 2018 und 2023 um etwa zwei Drittel auf 253.000 Hektar angewachsen. Das entspricht ungefähr der Fläche Luxemburgs. Die Produktion hat sich seit 2016 verdoppelt.

Zudem mischen neue Player das Geschäft auf. Europol zufolge hat besonders die albanische Mafia begonnen, die gesamte Lieferkette selbst zu organisieren. Der Kokainhandel wird damit zu einer Art One-Stop-Shop: Man schließt Zwischenhändler aus, um günstiger anbieten zu können. Auch Robert Fay von Europol sieht einen ähnlichen Trend: "Wir beobachten insgesamt eine Veränderung des kriminellen Geschäftsmodells."

Das bedeutet, dass es heute wahrscheinlich weniger Zwischenleute gibt, die Export, Transport, Import und den anschließenden Großvertrieb organisieren.

Robert Fay, Europol

Die kriminelle Organisation Primeiro Comando da Capital (PCC) aus Brasilien wiederum fungiert als eine Plattform, organisiert Transportwege und vermittelt zwischen Produzenten und Abnehmern - "ähnlich wie Uber oder Airbnb", beschreibt es der Soziologe und PCC-Experte Gabriel Feltran von der Sciences Po in Paris - nur eben mit Drogen.

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Kokain im Schaltknüppel: Warum Tests nicht mehr anschlagen

Auch die Wege, um das Kokain an Kontrollen vorbeizuschleusen, werden raffinierter. Anstatt große Häfen anzusteuern, nutzen die Kriminellen etwa Speedboote, die auf dem Meer ausgesetztes Kokain einsammeln und über Flüsse ins Landesinnere bringen, wie ein spanischer Drogenfahnder ZDF frontal berichtet.

Kokainpakete, die auf einen solchen Schmuggel hindeuten, wurden zuletzt auch an deutschen Stränden angespült. Auf Föhr, Amrum und Sylt wurden innerhalb weniger Tage im Dezember 2024 Kokain im Wert von zwölf Millionen Euro gemeldet.

Hinzu kommen neuere chemische Tarnmethoden: Dabei wird die Droge in Laboren mit anderen Materialien kombiniert. Sie steckt dann etwa in einer Eisen- oder Plastikverbindung und wird zum Beispiel zum Schaltknüppel geformt. Herkömmliche Tests und auch Hunde können den Stoff so nicht mehr als Kokain identifizieren. Im belieferten Land muss er dann in einem ähnlichen Labor wieder extrahiert werden. Auch in Deutschland würden laut Robert Fay zunehmend derartige Labore entdeckt.

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